Methodenkonzept

Für die sozioökonomische Analyse

Das hier vorgestellte und angewendete sozioökonomische Forschungskonzept zielt paradigmatisch auf die Erschließung und Rekonstruktion des tatsächlichen sozialen wie wirtschaftlichen Geschehens innerhalb der Gesellschaft und auf dessen immanentes Zusammenspiel. Insofern es sich bei diesem Vorhaben immer auch um einen Aufbruch in nicht vollständig theoretisch ableit- und erschließbare Gefilde gesellschaftlicher Praxis handelt, liegt der methodologische Schwerpunkt vor allem auf qualitativen empirischen Methoden, mit denen der Anspruch auf eine realitätsbasierte, explorative Erforschung umgesetzt werden kann.


Theoretisches Fundament


Den perspektivischen Ausgangpunkt des vorgestellten Konzepts bietet der soziologische Ansatz der Praxistheorie (Praxeologie) - einer der Hauptstränge sozialwissenschaftlicher Theoriebildung. Seine Perspektive rekurriert auf die einzelne Interaktion, die menschliche Praxishandlung, als konstitutives, schöpferisches Element der kollektiven Prozesse innerhalb einer Gesellschaft. Kollektives Geschehen und die Geordnetheit einer Gesellschaft können in dieser Denkrichtung nicht aus der emergenten Funktion dahinterliegender Strukturen verstanden werden, sondern werden durch die unzählbaren konkreten und sich wiederholenden, interdependenten Praktiken der sozialen Akteure erst hervorgebracht, die in ihrer Vielzahl und Verflechtung den Eindruck einer gewaltigen, statischen Struktur entstehen lassen. Jede Beforschung und Analyse gesellschaftlichen Geschehens muss entsprechend immer zunächst auf das Vertändnis der sie hervorbringenden Praktiken abzielen. Der hier verwendete theoretische Rahmen fußt im Wesentlichen auf den Konzepten der Figurationssoziologie von Norbbert Elias und der Akteur-Netzwerk-Theorie nach Bruno Latour.

 

Methodische Ausrichtung


Gemäß der praxistheoretischen Perspektive werden für die wissenschaftliche Annäherung an den Untersuchungsgegenstand Qualitative Methoden angewendet. Ihr Ziel ist die explorative, nicht-standardisierte Beforschung der Realität, die eine induktive (erst aus dem empirischen Material abgeleitete) Theoriebildung ermöglicht. Da sich gesellschaftliche Prozesse im praxissoziologischen Grundverständnis erst in der konkreten Praxis manifestieren, können die hierbei relevanten Kategorien und Systematiken niemals vollständig vorab, theoretisch (deduktiv) abgeleitet werden. Die theoretische Vorarbeit und Vorstrukturierung des Untersuchungsbereichs anhand deduktiver Schlüsse kann somit nur eine erste Stufe des Forschungsprozesses darstellen, der diese Vorarbeiten durch die induktive Theoriebildung anhand des empirischen Materials weiterführt.

Zur Besicherung der so hervorgebrachten Erkenntnisse können allerdings in der Folge auch quantitaive, standardisierte Verfahren eingesetzt werden, die durch größere Fallzahlen eine höhere theoretische Reichweite bedingen.


Empirische Werkzeuge


Qualtitative sozialwissenschaftliche Methoden ermöglichen es dem Forschenden, einen ihm nicht vollständig bekannten oder zugänglichen Bereich der Gesellschaft realitätsfundiert, in einer bottom-up Perspektive zu rekonstruieren. Da sozioökonomische Prozesse nur in bestimmten Fällen beobachtbar sind, kommt hierbei dem Qualitativen Interview die maßgebliche Bedeutung zu. Ein umfassendes Abbild der Eigenheiten und Strukturen gesellschaftlicher Praxis ist schließlich nur auf Basis der subjektiven Wahrnehmungen jener möglich, die in diese Praxis konkret eingebunden sind. Je nach Untersuchungsziel können narrative, biographische oder problemzentrierte Interviewdesigns beziehungsweise auch deren episodische Kombination das Werkzeug der Wahl sein. Ihnen gemein ist die Zielsetzung die subjektiven Perspektiven der Befragten umfassend und valide aufzuzeichnen, um sie als empirische Datengrundlage der sozioökonomischen Analyse zugänglich zu machen. Im Optimalfall wird es damit ermöglicht die Praxis aus den Augen des befragten Akteurs zu sehen.

Methodologische Prämissen


Im hier skizzierten Untersuchungsrahmen sollen die Strukturen und Eigenheiten der beforschten sozioökonomischen Phänomene durch eine intersubjektive Rekonstruktion herausgearbeitet werden. Da die vielfältigen Formen gesellschaftlicher Praxis weder direkt beobachtbar, noch für einen einzelnen Akteur vollumfänglich wahrnehmbar sind, führt der Weg über die Erfassung verschiedener subjektiver Perspektiven der in der Praxis assoziierten Akteure. Je besser und umfassender es gelingt solche Schilderungen zu sammeln und das Bild immer weiter anzureichern, desto valider und detaillierter kann die sozioökonomische Praxis rekonstruiert und damit auch analysiert werden.

Für die Erhebung selbst bedeutet dies gleichzeitig die Anwendnung einer reflexiven Inteviewtechnik, wie sie Pierre Bourdieu in seinen methodologischen Ausführungen zum wissenschaftlichen "Verstehen" umrissen hat. Neben einer intensiven, habituellen Vorbereitung, werden Gesprächsstil und kommunikatives Verhalten während des Interviews immer wieder der Situation  entsprechend angepasst, um so tendeziell den sozialen Ballast der Situation zu minimieren und eine möglichst offene Schilderung des subjektiv Erlebten zu fördern.



Interdisziplinäre Zusammenarbeit


Die Kooperation verschiedener gesellschafts- und wirtschaftswissenschaftlicher Disziplinen gehört genuin zur Forschungskonzeption sozioökonomischer Gesellschaftsanalyse. Die ganze Komplexität und Kompliziertheit, mit der soziale, wirtschaftliche, politische, kulturelle und vielerlei mehr Dynamiken den Entwicklungsprozess der menschlichen Gesellschaften interdependent hervorbringen, kann ohnehin nur um den Preis der wissenschaftlichen Abstraktion überhaupt verstehbar und zugänglich gemacht werden. Die Zusammenarbeit verschiedener Disziplinen mit ihren jeweils spezifischen Perspektiven auf sozioökonomische Prozesse ist entsprechend eine grundsätzliche Bedigung jedes Forschungsprozesses, der eine möglichst fundierte und valide Analyse des gesellschaftlichen Geschehens zum Ziel hat.  Dies bedeutet konkret, dass Ansätze und Konzepte, die hier mit einem soziologischen Schwerpunkt entwickelt werden, immer auch in der Auseinandersetzung mit anderen wirtschafts- und gesellschaftwissenschaftlichen Fachrichtungen reflektiert und auf ihre Konsistenz geprüft werden. Vor allem die Reflektion durch die ökonomische Theorie und Empirie ist dabei für einen sozioökonomischen Forschungsansatz von herausgestellter Bedeutung und lässt sich gleichsam auch in umgekehrter Lesrichtung begründen.  Der wissenschaftlichen Kooperation und Vernetzung mit Vertretern anderer gesellschafts- und wirtschaftswissenschaftlichen Disziplinen kommt insofern eine immanente und wesentliche Bedeutung zu.